Rachezug: Thriller (Teil 1 von 2) by Linnemann Michael

Rachezug: Thriller (Teil 1 von 2) by Linnemann Michael

Autor:Linnemann, Michael [Linnemann, Michael]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Thriller
veröffentlicht: 2012-01-09T23:00:00+00:00


14

Maria Zank weinte ununterbrochen vor sich hin. Sie rieb sich ihre hochroten Augen und stieß in regelmäßigen Abständen einen Fluch aus. Hingegen bevorzugte ihr Gatte Jürgen den passiven Weg der Trauerbekundung: Er schwieg wie ein Grab. Doch seine übermüdeten Augen bekundeten mehr als tausend Worte; sie verlangten unverkennbar nach Rache.

Vor wenigen Minuten hatten die beiden das zweite Opfer zweifelsfrei als Gabriella identifiziert. Jetzt, um 18 Uhr 30, saßen sie in grau-schwarzer Aufmachung vor Thomas’ Schreibtisch und versuchten verzweifelt zu begreifen, warum ausgerechnet ihnen ein solches Unheil widerfahren musste.

„Es tut uns überaus leid“, begann Thomas nach einiger Zeit vorsichtig, während Nora schweigend neben ihm verweilte. „Wir könnten durchaus verstehen, wenn Sie sich zunächst ein wenig Zeit für sich nehmen möch…“

„Nein“, fiel Jürgen dem Kommissar aufbrausend ins Wort. „Fragen Sie uns jetzt. Fragen Sie uns alles, was Sie wissen müssen! Ich will, dass dieses Schwein so schnell wie möglich für seine Untat büßt. Und ich will diesem Drecksack in seine Augen sehen, wenn er in den Knast wandert. Haben Sie mich verstanden?“ Den Blick jetzt streng auf Thomas gerichtet, strich der 48-Jährige sich wütend über seinen altmodischen Bürstenhaarschnitt.

„Herr Zank, wir können Ihre Trauer und Ihre Wut sehr gut nachvollziehen“, versuchte Thomas dem Zorn des hasserfüllten Stiefvaters geschwind Einhalt zu gebieten. „Aber um in einem solchen Fall für Gerechtigkeit sorgen zu können, braucht es in erster Linie Geduld. Viel Geduld“, verlieh er diesen beiden letzten Worten besonderes Gewicht.

Jürgen spähte ihn scharf an. „Finden Sie den Kerl! Das verlange ich von Ihnen, Herr Kommissar!“

Obgleich Tommy die Worte nicht als Drohung auffasste, ließ sich nicht leugnen, dass in Jürgens Artikulation eine spürbare Spannung gelegen hatte. Da Thomas an dessen Stelle jedoch sicherlich genau so reagieren würde, nickte er nur kurz, beugte sich sodann nach vorne und erklärte mit kontrollierter Stimme: „Nun gut, wenn Sie jetzt schon dazu bereit sind, dann würde ich Ihnen gerne einige routinemäßige Fragen stellen.“

„Schießen Sie los.“

Hurtig kramte Tommy seinen Notizblock hervor und angelte sich einen Kugelschreiber aus der obersten Schreibtischschublade. „Sie hatten meinem Kollegen am Telefon geschildert, dass Gabriella gestern Abend auf eine Klassenfeier bei der Familie Landmann gegangen sei. Ist das korrekt?“

„Ja. Sie ging in die elfte Klasse des Hainberg-Gymnasiums.“

„Wann hatte sie Ihr Haus verlassen?“

„Ungefähr um halb neun am Abend.“

„Wie war sie zu der Feier hingekommen?“

„Mit einem Taxi. Und sie sollte auch mit einem zurückkommen. Ich sah die Feier als gute Möglichkeit an, meiner Stieftochter Verantwortung und Selbstvertrauen beizubringen. Sie sollte endlich einmal aus ihrem Zimmer herauskommen und erfahren, wie die wahre Welt dort draußen ist.“

Schweigend notierte Thomas sich diese Information. Dann warf er einen flüchtigen Seitenblick auf Maria; die von Selbstzweifeln zerfressene Mutter ließ resigniert ihren Kopf hängen und heulte weiter vor sich hin.

„Hatten Sie mit Ihrer Stieftochter eine Uhrzeit ausgemacht, zu der sie wieder zurück sein sollte?“, fragte Nora schließlich an Jürgen gerichtet weiter. „Und hatte Gabriella sich dann von der Feier telefonisch bei Ihnen gemeldet, um Ihnen mitzuteilen, dass es vermutlich später würde?“

„Nein zu beidem.“

„Sie erwarteten Ihre sechzehnjährige Stieftochter zu keinem festen Zeitpunkt zurück?“ Aufgrund ihrer Verblüfftheit hatte Nora das Wort sechzehnjährige unfreiwillig harsch hervorgehoben.



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